„I want a stylus!“Niemand will einen Stylus, proklamierte Steve Jobs zur Einführung des iPhones im Jahr 2007. Tatsächlich war der Touch-Screen eine elegante Lösung des Problems der zunehmenden Miniaturisierung und Funktionskonvergenz bei Handys.
Jobs wandte sich damit auch ostentativ gegen die Hersteller der damals weit verbreiteten PDAs mit Stifteingabe und positionierte Multitouch als überlegenes Prinzip.
The No-Stylus Paradigm
Mit dem erfolgreichen iPad, das über einen deutlich größeren Bildschirm verfügt und häufig als eBook-Reader verwendet wird, stellt sich die Frage neu, ob das Anti-Stylus-Paradigma weiter in seiner Universalität zu halten ist. Richtig ist, auf einem Handy macht ein Stylus wenig Sinn. Richtig ist aber auch, auf einem Tablet hat die Stifteingabe durchaus Anwendungsszenarien.
Die Handschrift ist für schnelle Notizen besser geeignet als die Softare-Tastatur. Mit dem kapazitiven Stift Bamboo Stylus von Wacom und der App Bamboo Paper wird deutlich, dass das iPad auch zum Ersatz von Papier werden kann – und das iPad zu einem produktiven Instrument.
Paperless Office
Das papierlose Büro ist seit Jahrzehnten die Vision der Industrie. Doch weiterhin ist der Drucker die wichtigste Peripherie zum Computer. eBooks und zunehmend elektronische Magazine werden zwar nicht nur am PC, sondern auch auf eBook-Readern gelesen. Das entscheidende Manko ist jedoch die fehlende Funktion, direkt in die Informationen hinein zu schreiben.
Mit der Tastatur können zwar Notizen hinzugefügt werden. Mithilfe eines Stiftes könnten aber viel schneller und intuitiver semantische Zusammenhänge hergestellt werden, wie z. B. Pfeile, Kreise, Unterstreichungen etc.
Mit GoodReader und ezPDF ist möglich, was man mit Stift und Papier gewohnt ist: Einfach in Pdf-Dateien hineinzuschreiben und diese Notizen in der Pdf-Datei zu speichern (und nicht in einem unüblichen Zusatzformat). Auf diese Weise können die elektronischen Dokumente bearbeitet und per Email gleich weitergeschickt werden. So kann ein papierloses Büro funktionieren!
Es ist Apple und anderen Herstellern geraten, diese Anwendung, die z. B. an Universitäten eine Killer-App ist, nicht aus den Augen zu lassen, das Tablet als produktives Gerät zu erkennen und das Anti-Stylus-Paradigma zu brechen.
Don't be afraid of the Newton, Tim!
Es ist anzumerken, dass iOS ein Derivat von OS X ist. Dieses Betriebssystem besitzt eine Schrifterkennung namens Inkwell, die vormals als „Rosetta“ Teil des Newton war und bisher erst im ModBook eine ernsthafte Anwendung fand. Eine Eingabe von Handschrift kann auf diese Weise auch in Druckschrift umgesetzt werden (die Prozessorleistung dürfte inzwischen ausreichend sein). Tim Cook – im Gegensatz zu Steve Jobs, der persönliche Gründe hatte – braucht keine Angst vor einem derartigen Revival des Newton zu haben.
Samsung hat das Potenzial von Stifteingabe bei mobilen Geräten bereits erkannt: Das Galaxy Note hat zwar nur eine schwache Implementierung der Idee – es wird nur ein Screenshot als Grafik editiert –, scheint aber ein solcher Erfolg zu sein, dass bereits Folgeversionen (auch mit 10 Zoll-Bildschirm) vorgestellt wurden.
Die Idee eines Tablets mit Stifteingabe ist uralt. Nicht nur, dass Wachstafeln aus der Antike und dem Mittelalter mit einem Griffel beschrieben wurden, auch Alan Kays Dynabook aus dem Jahr 1968 sah einen Stylus vor. Umso wichtiger, sich nun von Steve Jobs' Paradigma zu verabschieden.
P.S.: Das modulare PadFone von Asus wird nicht nur mit einem Stylus geliefert, dieser dient bei einem Anruf auch als Bluetooth-Headset.
Update: Der Mitte Juni 2012 vorgestellte iPad-Konkurrent von Microsoft hat nun das Stylus-Konzept integriert. Das Surface-Tablet hat zwei Sensoren: Einen für Touch und einen für digital Ink. Sobald der Stift die Oberfläche berührt, wird der Input des Handballen ignoriert ("Palm Block Technology"). Es handelt sich offenbar um einen aktiven Stift, der Aufladung benötigt. Im Gehäuse des Tablets ist daher seitlich eine magnetischer Ladefläche eingebaut, die den Stift zudem gleichzeitig hält während er nicht benötigt wird. Neben der in das Cover eingebauten Tastatur ist dies wohl das innovativste Element des Tablets von Microsoft.
Update: Mit dem Galaxy Note 10.1 hat Samsung nun nachgelegt und scheint Apple damit einen Schritt voraus zu sein. Bemerkenswert: Genauso wie einst der Apple Newton kann das Galaxy Note Handschrift und Skizzen in Text und Vektorgraphiken umwandeln.